Wenn man sich die Masse neuer Plugins anschaut, die täglich auf den Pro-Audio Markt kommen, sollte man nicht glauben, dass das Rad noch einmal neu erfunden wird – so ziemlich jeder denkbare Schnickschnack ist schon in irgendeinen EQ oder ein dynamisches Plugin eingebaut worden. Nun, die Jungs bei HOFA scheinen noch ein paar versteckte Juwelen gefunden zu haben und präsentieren sie in der neusten Version ihres praktischen dynamischen EQs namens IQ-EQ.
Ich bin auf HOFA in einem bekannten Pro-Audio Forum gestoßen, wo sie den „Sexiest EQ alive“ proklamierten und ich wollte mir diesen EQ mal ansehen. Was den Look angeht, wurde ich definitiv nicht enttäuscht, aber was mich wirklich überwältigte, war die unglaubliche Flexibilität dieses Plugins. Man bekommt nicht nur einen sehr präzisen und chirurgischen EQ, sondern ein ganzes Arsenal an klangformenden Funktionen in einem Gerät. Das Unternehmen geht sogar so weit zu sagen, dass dieser EQ in der Lage ist, jeden anderen EQ und Kompressor in der DAW zu ersetzen. Das sind starke Worte – gerade, wenn man sich die richtig großen Konkurrenten auf dem Markt anschaut. Interessant fand ich auch, dass dieser Anspruch sehr sachlich formuliert wurde; nicht in diesem typischen überdrehten Stil, den wir sonst meistens gewohnt sind. Also machte ich mich daran, zu überprüfen, ob HOFA diesen ziemlich starken und unverblümten Behauptungen gerecht werden kann. Was ich fand, war ein komplexes Gebilde, das einer „Pro-Audio-Stadt-Atlantis“ gleichkommt.
Während ich ein wenig Recherche über das Unternehmen betrieb, fand ich schnell heraus, dass HOFA nicht der übliche Plugin-Hersteller ist. Obwohl sie in Amerika nicht so bekannt sind wie in Deutschland, machen sie weit mehr als nur Software-Entwicklung und sind dabei in viel mehr Feldern aktiv als die meisten anderen Pro-Audio Firmen dort. HOFA macht alles und das seit 1988. Dieses Unternehmen hat eines der größten Tonstudios Deutschlands, eine Tontechnik-Fernschule, ein Grafik-Design Büro, eine Akustik-Abteilung und eben eine Software-Schmiede. Das deckt so ziemlich jeden denkbaren Aspekt im Musik-Business ab. Das Verrückte dabei ist, dass HOFA erst 2010 begonnen hat, Plugins zu veröffentlichen. Offensichtlich gibt ihnen die Tatsache, in so vielen Bereichen der Tontechnik aktiv zu sein, einen unmittelbaren Vorteil bei der Entwicklung neuer Produkte. Aber konnten sie diesen Vorteil auch ausnutzen?
Der IQ-EQ ist mehr als nur ein EQ-Plugin. Er ist ein absolut unkomplizierter EQ, der das Audio-Signal in Frequenzbänder unterteilt und es einem erlaubt, die Dynamik eines jeden Bandes individuell zu bearbeiten – und das auf eine Weise, die über die normalen EQ-Parameter eines EQs weit hinausgehen.
Den IQ-EQ gibt es als AAX32 & 64, VST, VST3, AU, und RTAS Plugin. Das deckt so ziemlich alle Formate der meisten DAWs ab. Außerdem erhält man zwei Lizenzen, was es enorm einfach macht, das Plugin sowohl auf dem Desktop-Rechner als auch auf dem Laptop zu betreiben. Er bietet bis zu 32-faches Oversampling, 8 verschiedene Filtertypen in 6 Bändern, separate High- und Lowpass-Filter, Kompression, Expansion, De-Essing, Spektrum-Analyzer, MS-Bearbeitung, Sidechain pro Band und einen voll funktionierenden Channelstrip. Das ist eine erstaunliche Anzahl an Bearbeitungsmöglichkeiten, aber das ist nicht alles. Später dazu mehr.
Man sollte vermuten, dass mit all diesen Features das Interface mit Knöpfen übersät ist, aber HOFA hat es geschafft, jede Sektion wundervoll kompakt zu halten, indem es Drop-Down-Boxen für nicht aktive Optionen und Menüs in jeder Funktion gibt. Das ist fast schon wie ein eigenes Betriebssystem. Die Fenstergröße kann nach Bedarf angepasst werden – was extrem hilfreich ist, wenn man alle Möglichkeiten ausschöpft, die einem dieses Plugin bietet.
Der IQ-EQ ist eine komplette Kommandozentrale, die sowohl numerisch als auch in Metern die Werte und die dynamischen Vorgänge anzeigt und zusätzlich ein großes Display bietet, das die Technologie aus HOFA’s Spektrum Analyzer „IQ-Analyser“ nutzt. Wenn man andererseits Platz sparen will oder sich dabei ertappt, dass man sich zu sehr auf die Grafik verlässt, kann man auch in den „Ears Only“ Modus schalten. Dieser schließt das Grafik-Display und gönnt den Augen eine „Denkpause“. Das Display und alle Regler sind miteinander verknüpft, sodass man sehr schnell sieht, welches Band bearbeitet wird. Wenn ein Band im Display ausgewählt wird, pulsiert das entsprechende Reglerfeld in einem warmen Orangeton und führt einen zu den erweiterten Funktionen. Apropos erweitert: Das zu bearbeitende Frequenzspektrum reicht von 1 Hz bis 40 kHz und überschreitet damit das hörbare Spektrum. Das kommt all denen zugute, die der Theorie zustimmen, dass nur weil wir diese erweiterten Frequenzen nicht hören, es nicht bedeuten muss, dass diese Frequenzen den Klang nicht in irgendeiner Weise beeinflussen.
Da dieses Plugin so viele Features hat, wollen wir uns die Sektionen einzeln anschauen.
EQ:
Wer einfach nur einen EQ will, bekommt ihn. Der IQ-EQ bietet 6 Bänder plus zusätzliche High- und Low-Pass Filter mit bis zu beeindruckenden 48 dB/Oktave und wählbaren Q-Faktoren. „Q“ kann auch mit einem resonierenden Shelf direkt ober- oder unterhalb der gewählten Cut-Frequenz aufwarten – für das analoge Feeling. Neben den High- und Low-Pass Filtern bietet der IQ-EQ 6 weitere parametrische EQ-Bänder, von denen jedes einzelne von 1 Hz bis 40 kHz reicht. Sagt irgendjemand, man müsse EQ-Bänder von links nach rechts in aufsteigender Folge nutzen? HOFA jedenfalls nicht.
Man kann jedes Band mit dem On-Schalter aktivieren oder auf eines der kleinen Rechtecke im Display klicken und es dann sowohl im Display als auch im Reglerfeld einstellen. Der Q-Faktor reicht dabei von superweit bis nadelspitz, was das Anheben oder Formen von Frequenzen zum Kinderspiel macht. Wer noch mehr in die Tiefe gehen will – es gibt 8 verschiedenen Filterkurven vom Standard Shelving bis zu hoch entwickelten resonierenden Filtern. Der innovativste Filter ist der „Flat“-Modus, der das ganze Spektrum umfasst. Dieser Modus dient einem einzigartigen Zweck, worüber wir noch in der Dynamik-Sektion sprechen werden. Jedes Band kann bis zu 24 dB absenken oder anheben, die Möglichkeiten sind endlos. Mit der Option, im Stereo- oder im MS-Modus zu arbeiten, lassen sich einzelne Bänder sogar in unterschiedlichen Bereichen des Stereobildes bearbeiten. Das eröffnet unendliche Möglichkeiten der Klangformung. Das Grafik-Display zeigt diese Bearbeitung mit verschiedenfarbigen Linien – einfacher geht’s nicht.
DYNAMICS:
Hier lässt HOFA noch mehr die Muskeln spielen. Unterhalb der Regler für den EQ sitzt die „DYN“-Sektion. Ein Klick auf den DYN-Schalter und man aktiviert die dynamische Kontrolle für das jeweilige Band. Der IQ-EQ lässt einem die Wahl, ob er sich um die Arbeit kümmern soll (Auto-Mode; funktioniert in den meisten Fällen hervorragend), oder man kann „Auto“ ausschalten und selber einstellen. Einmal im manuellen Modus sieht man die üblichen Ratio, Attack- und Release-Regler, aber hier gibt es mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Wenn man die Ratio auf einen Wert von unter 1.2:1 zieht, werden die orangefarbenen Ziffern weiß. Nun ist man im negativen Ratio-Bereich, was bedeutet, dass sich dieses Dynamik-Band nun als Expander einsetzen lässt. Und das SEPARAT pro Band. Ziemlich cool, oder? Ein weiteres Feature, das der Erwähnung wert ist, benötigt die eingeschaltete Oversampling-Option. Bei aktiviertem Oversampling lässt sich die Attack-Zeit auf „Look Ahead“ stellen, indem man sie auf einen Wert unterhalb 0.1 einstellt. Das ermöglicht eine noch schneller ansprechende Kompression oder Expansion. Ein großartiges Merkmal des Displays ist, dass es sowohl einen Meter gibt, der die Reduktion grafisch anzeigt als auch eine Zahl, die die maximale Reduktion beschreibt.
Ich habe vorhin die Filter-Option „Flat-Modus“ erwähnt. Dieser Modus ist nun besonders nützlich. Wenn man diesen Flat-Modus in einem Filterband auswählt, verwandelt man diese Dynamik-Sektion in einen Fullrange-Kompressor … ergo, man hat einen vollständigen Kompressor, den man in jedem beliebigen Band platzieren kann, je nachdem, auf was der Kompressor reagieren soll. Tatsächlich bietet das mehr als der Standard Channelstrip anderer Plugins, da sich die Dynamik des Signals abhängig von der Position des Kompressors regeln lässt. Wenn man ihn zum Beispiel am Anfang der Signalkette platziert, indem man ihn im ersten Slot einfügt, komprimiert man alles vor dem EQ; im letzten Slot findet die Kompression nach dem EQ statt. Man kann den Kompressor auch überall sonst einsetzen und in verschiedenen Positionen ausprobieren, indem man ganz einfach die Pfeile unterhalb des Sidechains greift und das Band verschiebt.
Ein weiteres großartiges Merkmal ist, dass man das Signal in verschiedenen Ebenen mit mehreren flachen Bändern komprimieren kann, ohne mehrere Plugin-Instanzen laden zu müssen. Mit all diesen Kontrollmöglichkeiten in jedem Band sollte man meinen, dass es so gut wie nichts mehr gibt, was man braucht, nicht wahr? Nun – nur nicht voreilig sein. Direkt unterhalb der DYN-Sektion befindet sich eine Sidechain-Sektion.
SIDECHAIN
Nun fragen Sie sich wahrscheinlich: „Wenn ich eine Dynamik-Sektion für jedes Band habe, wie funktioniert dann Sidechain?“ Nun, es ist eigentlich ziemlich einfach. Nachdem die Sidechain-Funktion aktiviert wurde, kann man einzelne Frequenzbereiche wählen, die den Kompressor „triggern“ und damit die Art und Weise beeinflussen, wie der Kompressor das Audiosignal bearbeitet. Es gibt die normalen 7 Filter zur Auswahl, mit Qs von 0.1 bis 26 oder – wenn man eine externe Quelle verwenden will, kann man den Kompressor mit einem externen Signal „anfahren“. Das eröffnet unbegrenzte Möglichkeiten, die Dynamik verschiedener Frequenzbereiche zu kontrollieren. Mit diesen ganzen innovativen Features scheint es jetzt wirklich nichts mehr zu geben, was notwendig wäre. HOFA hat aber noch ein paar Asse im Ärmel.
Angenommen, Sie wollen die maximale Gain Reduktion pro Band unterschiedlich regeln. Ganz einfach: Oben rechts finden Sie einen MAX GR Knopf. Damit lässt sich individuell für jedes Band der Maximalwert für die Reduktion einstellen, was verhindern kann, dass das Signal zu „platt gedrückt“ wird.
Und hier noch ein Beispiel aus der Rubrik „Warum hat da noch niemand dran gedacht?“ Jedes Band hat ein Preset-Menu, in dem sich mit einem Mouse-Click die unterschiedlichsten Bearbeitungen hinzufügen lassen. Natürlich gibt es noch die Gesamt-Presets, aber diese Band-Presets heben das Ganze auf einen neuen Level, indem sie es ermöglichen, unterschiedliche Bearbeitungen blitzschnell zu mischen und anzupassen. HOFA hat dabei sogar so ziemlich jedes Preset erstellt, das man sich vorstellen kann – UND sie vernünftig benannt. Das ist nur eine Kleinigkeit, aber extrem hilfreich.
Unterhalb des Sidechains befindet sich ein Feld, in dem man beschreiben kann, was das jeweilige Band tut. Wenn man sich anschaut, wie vielfältig man die Frequenzen bearbeiten kann, erleichtert dies das Finden einzelner Bänder enorm. Darüber hinaus, hat der IQ-EQ einen eigenen „Settings“-Ordner, in dem sich Einstellungen des Displays oder des Analysers speichern lassen oder man auch die „Tooltips“ ein- und ausschalten kann, die als „mouse over“ Hilfestellungen erscheinen.
Das wär’s dann also – genug Features, dass einem schwindlig werden kann. Zu viele? Hätte HOFA die Oberfläche und den Workflow dieses Plugins nicht so meisterlich gestaltet, würde ich sagen „ja“. Aber alles ist so sorgfältig und mit so viel Überlegung platziert, dass einem der IQ-EQ fast wie ein alter Bekannter vorkommt. Dieses Plugin kann so einfach wie möglich sein oder das fortgeschrittenste Plugin, das Sie besitzen – und das ohne die DSP oder auch Bildschirmfläche im Übermaß zu beanspruchen. Einen Analyser mit an Bord zu haben, gibt einem einen guten Überblick über die Frequenzen und ermöglicht es, auch chirurgische Eingriffe in das Signal genau vorzunehmen. Was ich allerdings vermisse, ist die Möglichkeit, die Analyserdarstellung zu verändern – manchmal hätte ich die Kurven gern etwas runder und weniger eckig, wobei das eher eine Frage der Ästhetik ist und die Funktionalität in keiner Weise beeinträchtigt.
Autorisierung und Installation werden beide mit dem Plugin Manager erledigt, was einem ermöglicht, sofort loszulegen. Die individuellen Presets sind besonders nützlich und machen z.B. De-Essing zum Kinderspiel. Ich mag auch, wie bei Verwendung der „Extended Frequency Range“ die Seiten orange aufleuchten – ein klares visuelles Signal, dass man in diesem Modus ist. Die resonierenden Filterkurven können dem Plugin analogen Sound verleihen und ermöglichen es, das Verhalten klassischer EQs zu emulieren. Ich könnte noch tagelang über dieses Plugin reden …
Es ist einfach so viel, was dieses einzelne Plugin kann. Man kann ganze Projekte mischen und mastern und nichts vermissen außer ein Hall-Plugin (was sie auch haben und das ich demnächst testen werde) und Delays (vielleicht können wir sie ja zu einem IQ-Delay überreden). Der EQ ist sehr transparent, wenn man es will, und kann sogar den Charakter von beliebten Konsolen-EQs annehmen, wenn man die Kurven kennt. Seit ich den IQ-EQhabe, benutze ich ihn auf jeder Spur, die eine Frequenzbearbeitung braucht – sowohl, um das Frequenzspektrum aufzuräumen als auch, um Frequenzen anzuheben. Ich hasse es, irgendwas übertrieben aufzubauschen, aber das ist das nützlichste EQ-Plugin, das ich seit Langem benutzt habe. Einige der Funktionen gibt es auch von großen Herstellern, aber keiner konnte dabei wirklich brillieren. HOFA tut es und hat dabei die Messlatte ziemlich hoch gehängt.
Das ist das Everything Recording EQ- und Dynamik-Plugin „für die verlassene Insel“. Wer mir nicht glauben will – HOFA bietet eine 14-Tage Testversion. Testen Sie es und sagen mir, ich liege falsch. Ich wette, Sie tun´s nicht.
Everything Recording Bewertung: